Bankenverordnung: Wird sie zum Waterloo?

Heute, am 18.06.2009, läuft diese Meldung über die Nachrichtenticker: „Die angeschlagene Düsseldorfer Mittelstandsbank IKB will weitere Garantien in Höhe von sieben Milliarden Euro. Die Bank hatte vom SoFFin bereits Garantien über fünf Milliarden Euro erhalten.“ Da es heißt, die Gespräche seien weit fortgeschritten, kann ich mir eine Zustimmung vorstellen. Denn die Arbeit der deutschen SoFFin (Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung) gleicht einer Bankenverordnung.

Begriffsbestimmung: Bankenverordnung

Ich weiß, dass die Bankenverordnung eine schweizerische Verordnung über die Banken und Sparkassen (Bankenverordnung, BankV) ist. Die derzeitigen Aktivitäten der deutschen Bundesregierung passen aber derart gut zu dem Wort „Bankenverordnung“, dass ich mit erlaube, diesen Ausdruck hier im folgenden Text zu nutzen. Denn die SoFFin (Zitat von deren Internetseite) „soll das Finanzsystem in Deutschland stabilisieren.“ Die SoFFin soll helfen, die Eigenkapitalbasis von Finanzunternehmen zu stärken. Was ist das anderes als eine Bankenverordnung? Ich hoffe Sie, liebe Leser, vor allem die schweizerischen, sehen mir diese Begriffsverwendung nach.

Die Bankenverordnung ist wie eine Gratis-Versicherung

Interessant in diesem Zusammenhang ist eine weitere Meldung von heute. Dort heißt es: „Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hält die Großbanken UBS und Credit Suisse weiterhin für gefährdet. Sie schließt auch Insolvenzen nicht aus und fordert gesetzliche Regelungen, um eine geordnete Liquidation absichern zu können. Bisher gilt der Grundsatz, die Großbanken sind für die schweizerische Volkswirtschaft zu wichtig, um sie im Krisenfall untergehen zu lassen. Deswegen sei der Staat gezwungen, einer in Schieflage geratenen Bank zu helfen. Dies käme einer Gratis-Versicherung gleich und verleite diese Banken mit einer De-facto-Staatsgarantie zu unvorsichtigem Handeln. Somit trügen letztlich nicht die Verantwortlichen der Bank, sondern die Steuerzahler das Risiko. Das möchte die SNB nun ändern und fordert vom Gesetzgeber ein Verfahren zur Abwicklung von Großbanken.“

Systemisch relevant, so heißt es derzeit immer dann, wenn die Bundesregierung uns Steuerzahlern in die Taschen greift, um Banken zu retten. Und mit ihrer Bankenverordnung schafft sie genau die Voraussetzungen, die die Schweizerische Nationalbank (SNB) als falsch ansieht. Und sage mal einer, die Schweizer können nicht mit Geld umgehen. Das Wort der SNB hat also Gewicht.

Systemisch relevant = Bankenverordnung

Was heißt den „systemisch relevant“? Ich übersetze es mit bänkisch relevant. Dazu mal eine etwas andere Gegenüberstellung, als die, die Sie in den Nachrichten sehen. Dort werden derzeit die Hilfen für Opel immer mit Arcandor verglichen. Warum nicht mit den Hilfen für die Banken und der eigens geschaffenen Bankenverordnung? Meine Gegenüberstellung lautet:

Kosten der Staatshilfen je Mitarbeiter des Unternehmens

Opel hat rund 29.000 Mitarbeiter.
Opel erhält bis zu 4,5 Milliarden staatliche Bürgschaften und Kredite.
Das sind 155.172,41 Euro je Arbeitsplatz.

Die Mittelstandsbank IKB hat rund 1.700 Mitarbeiter
Sie beantragt heute (18.06.2009) weitere 7 Milliarden Euro Garantien und Bürgschaften. Erhalten hat sie bereits 5 Milliarden Euro.
Das sind 7.058.823,53 Euro je Arbeitsplatz (Stichwort Bankenverordnung)

Die Hypo Real Estate (HRE) hat rund 1.800 Mitarbeiter
Die Rettung der HRE hat die Steuerzahler bisher 92 Milliarden Euro gekostet. Jetzt soll der Staat erneut Geld nachschießen. Ich runde es einfach mal auf 100 Milliarden Euro auf. (Dank Bankenverordnung kommt es auf ein paar Milliarden ja nicht an.)
Das sind 55.555.555,56 Euro je Arbeitsplatz (Stichwort Bankenverordnung)

Arcandor hat über 50.000 Mitarbeiter
Das Unternehmen (u.a. Karstadt) wollte einen Notkredit von 437 Millionen Euro. Der wurde abgelehnt.
Das wären 8.740 Euro je Mitarbeiter (Bankenverordnung greift nicht)

Das etwas andere Fazit:

Da die Kosten je Mitarbeiter bei der HRE 55.555.555,56 Euro betragen und die Mitarbeiter von Arcandor nichtmals 8.740 Euro wert sind, das rechnerische Ergebnis:

Dank Bankenverordnung ist ein HRE-Bänker mindestens 6.356-mal so viel wert, wie ein Mitarbeiter von Karstadt.

Natürlich weiß ich, dass diese Rechnung und Darstellung hinkt. Und ich will sehr wohl, dass mögliche Misswirtschaft der jeweils Verantwortlichen aufgedeckt und gegebenenfalls betraft wird (Stichwort: staatanwaltliche Ermittlungen gegen Ex-Arcandor-Vorstandschef Middelhoff).

Aber hinkt mein Vergleich denn mehr, als die einseitige Rechnung, die uns die Regierung aufmacht? Sind 100 Milliarden Euro für nur eine Bank (HRE, Ende noch nicht abzusehen) nicht mindestens genauso einseitig wie meine Darstellung? Ist die Bankenverordnung wirklich systemisch relevant? Ich bezweifle das. Und die Schweizerische Nationalbank auch!

Bankenverordnung lässt Banken weiter unvorsichtig agieren

Für uns Investoren ist die Bankenverordnung in zweierlei Hinsicht katastrophal:

1.    Die Kosten und Folgen, die auf uns Steuerzahler zukommen, sind nicht ansatzweise absehbar.

2.    Dank der Bankenverordnung können die Bänker so weitermachen wie bisher. Wie die Schweizerische Nationalbank richtigerweise kritisiert: Es verleitet die Banken mit einer De-facto-Staatsgarantie zu unvorsichtigem Handeln.

So schön die Kursgewinne der letzten Wochen auch sind, sie wiegen den Markt in einer trügerischen Sicherheit. Solange die Banken weitermachen können wie bisher, ist nichts, aber auch gar nichts am Markt geklärt. Die Bankenverordnung kann zum Waterloo werden. Nicht umsonst lautet meine Empfehlung heute auch wieder: Lassen Sie Ihr Depot keine Sekunde ohne Absicherung durch Put Optionen.

Da heute vor 194 Jahren, am 18.06.1815, die Schlacht von Waterloo geschlagen wurde, wünsche ich Ihnen und mir, dass die Bankenverordnung nicht zum Waterloo wird